Nr. 1022 LG Ellwangen - FamFG §§ 78 II, 158 V, 317 IV

(1. ZK, Beschluss v. 6.3.2013 -1 T 50/13)

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts kann im Unterbringungsverfahren nicht allein deshalb versagt werden, weil dem Betroffenen bereits ein Verfahrenspfleger bestellt wurde.


Aus den Gründen:

a) Der Umstand, dass dem Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt war, steht jedenfalls hier der Bewilligung der Beiordnung von Rechtsanwalt S. nicht entgegen. Grundsätzlich ist zwar VKH nebst Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Betroffenen neben einem Verfahrenspfleger nicht erforderlich. Dies kommt in § 317 Abs. 4 FamFG deutlich zum Ausdruck, wonach die Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleiben oder aufgehoben werden soll, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden. Zwei Helfer braucht der Betroffene - bei allen Unterschieden der funktionalen Ausgestaltung der Verfahrensstellung von Verfahrenspfleger und Bevollmächtigtem im Einzelnen - in der Regel nicht (vgl. etwa LG Bremen, FamRZ 2005, 222; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 317 FamFG Rz. 35). Aus § 317 Abs. 4 FamFG wird neben der Beschränkung auf einen Helfer für den Betroffenen im Verfahren aber auch ersichtlich, dass der Vertretung des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten der Vorzug vor dem Verfahrenspfleger eingeräumt wird, da dessen Bestellung im Falle der Vertretung durch einen Bevollmächtigten grundsätzlich aufgehoben werden soll. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für den vom Betroffenen beauftragten Bevollmächtigten wie den im Wege der VKH beigeordneten Rechtsanwalt (Keidel/Budde, § 317 Rz. 5). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts kann also nicht mit Hinweis auf den vorhandenen Verfahrenspfleger abgelehnt werden.

b) Erforderlich ist aber, dass die Voraussetzungen der §§ 76 ff. FamFG, 114 ff. ZPO vorliegen. Dies ist der Fall. Erfolgsaussicht i. S. von § 114 Satz 1 ZPO ist zu bejahen, wenn die Rechtsverteidigung des Betroffenen unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beteiligten nicht offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist, wobei ein weiter Maßstab anzulegen ist (Keidel/ Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 76 Rz. 16). Dies kann schon dann anzunehmen sein, wenn der Beteiligte ein nach der Verfahrensordnung vorgesehenes Ziel verfolgt bzw. seine Lage im Verfahren verbessern kann und will (Keidel/Zimmermann, a. a. O.). Da die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, setzt die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der VKH außerdem voraus, dass wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, § 78 Abs. 2 FamFG.

Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist mit Rücksicht auf das hohe Gewicht des Rechtsguts der persönlichen Freiheit des Betroffenen, dessen Einschränkung ein mögliches Ergebnis eines Unterbringungsverfahrens ist, ein großzügiger Maßstab anzulegen. Da eine psychische Erkrankung des Betroffenen im Raum steht, darf er nicht darauf verwiesen werden, seine Position selbst angemessen zu vertreten. Aus diesem Grund war ihm ja auch der Verfahrenspfleger bestellt worden. Angesichts der, insoweit ersichtlich, im Rahmen der Anhörung vom 22.10.2012 erstmaligen Konfrontation des Betroffenen mit den Umständen, die dem Antrag auf Unterbringung zugrunde lagen, und der möglicherweise erheblichen Konsequenzen seiner Reaktion darauf muss für den Zeitpunkt der Anhörung - der Stellung des Antrags auf VKH - die Erforderlichkeit eines Helfers im Verfahren und damit der Beiordnung eines Rechtsanwalts bejaht werden.

Hinzu kommt, dass der Verfahrenspfleger laut seiner telefonischen Mitteilung von der am 22.10.2012 durchgeführten Anhörung keine Kenntnis hatte. Es kann also auch deswegen nicht davon ausgegangen werden, dass die Interessen des Betroffenen im Verfahren durch den Verfahrenspfleger gewahrt worden wären, wenn er in der Anhörung ohne Beistand seines Rechtsanwalts angehört worden wäre. . . .

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