OLG Zweibrücken - BGB §§ 1896 I, 1896 11; FGG §§ 20 1, 69g 1

(3. ZS, Beschluss v. 30. 8. 2002 - 3 W 152/02)

Ordnet das Vormundschaftsgericht trotz Vorliegens einer wirksamen Generalvollmacht für den Vollmachtgeber die Bestellung eines Betreuers an, steht dem dadurch übergangenen Bevollmächtigten - auch wenn dieser nicht dem Personenkreis des § 69g I FGG angehört - ein eigenes Beschwerderecht zu.

Aus den Gründen:

I.

Das VormG hat tür den Betroffenen [Betr.] eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen „Aufenthaltsbestimmung (incl. Entscheidung über die Unterbringung), Gesundheitsfürsorge, Vermögensverwaltung, Postkontrolle und Widerruf der Generalvollmacht v. 2. 1. 1998" angeordnet und den Beteiligten [Bet.1] zu 2 als Mitarbeiter eines Betreuungsvereins zum Betreuer bestellt. Gleichzeitig hat es die Bei. zu 1 als zuvor im Wege einstweiliger Anordnung bestellte vorläufige [vorl.] Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Postkontrolle entlassen, da sie ungeeignet sei, die Angelegenheiten des Betr. zu regeln. Die Bei. zu 1 stellt Letzteres in Abrede. Sie weist auf eine ihr vom Betr. am 2. 1. 1998 erteilte „Generalvollmacht“ hin, wonach sie befugt sei, den Betr. in allen Rechtsgeschäften zu vertreten. Wörtlich heißt es u. a.: „Die Vollmacht beinhaltet, mich in allen personlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies gesetzlich zulässig ist, gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten."

Auf die Beschwerde der Betr. zu 1 hat das LG die Entlassungsentscheidung als verfahrensrechtlich überholt aufgehoben, im Übrigen jedoch das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Nach Ansicht der Kammer ist die Bet. zu 1, die die Beschwerde ausdrücklich nur im eigenen Namen eingelegt habe, hinsichtlich der Betreuerbestellung nicht beschwerdeberechtigt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betr. und der Bet. zu 1, mit der sie gemeinsam die weitergehende Aufhebung der Beschlüsse des AmtsG und des LG erstreben.

II.

1. Die weitere Beschwerde der Bei. zu 1 ist statthaft und auch im Übrigen verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 27 l, 29 1 und IV FGG). Die Beschwerdeberechtigung der Betreuerin folgt bereits aus dem Umstand, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

2. Auch die weitere Beschwerde des Betr. selbst ist statthaft und verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§§ 27 I, 29 1 und IV GG). Zwar unterliegt es insoweit keiner Beanstandung, dass die Kammer lediglich von einer Erstbeschwerde der Bet. zu 1 ausgegangen ist. Hinsichtlich verfahrensrechtlicher Erklärungen gilt, dass das Gericht nach Möglichkeit den Willen des Erklärenden zu erforschen hat. Dabei kann aber nur der Wille in Betracht kommen, der in der Erklärung verkörpert ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, FGG; 14. Aufl., § 11 Rz. 435). Dazu hat das LG nach dein Inhalt der Beschwerdeschreiben zutreffend erkannt, dass sich eine Beschwerdeeinlegung im Namen des Betr. aus den eingereichten Schreiben und Schriftsätzen nicht ansatzweise herleiten lässt. Ist das Rechtsmittel aber - wie hier - nicht fristgebunden, kann die weitere Beschwerde auch von einem Bet. eingelegt werden, der von seinem Recht zur Erstbeschwerde keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. Keidel/ Kahl, a. a. O., § 27 Rz. 11). Die Generalvollmacht, von deren Wirksamkeit für das Rechtsbeschwerdeverfahren auszugehen ist, ermächtigt die Bet. zu 1 auch zur gerichtlichen Vertretung des Betr.

3. In der Sache führt die sofortige weitere Beschwerde der Bei. zu einem vorl. Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 1 FGG, 546 ZPO).

a) Nachdem bereits das LG die vom VormG ausgesprochene Entlassung der Bei. zu 1 als (vorl.) Betreuerin aufgehoben hat, ist Gegenstand des Verfahrens noch die Anfechtung der die Bestellung und Auswahl des Betreuers umfassenden Einheitsentscheidung nach § 69 I Nr. 2 FGG (vgl. etwa BGH, FamRZ 1996, 607; Senat, FGPrax 1997, 104, und 1999, 146).

b) Entgegen der Ansicht des LG ist die Bet. zu 1 insoweit auch beschwerdeberechtigt, weil in ihren eigenen Rechten betroffen.

aa) Zutreffend geht das LG zunächst davon aus, dass die Beschwerdebefugnis in Betreuungssachen primär nach der Sonderregelung des § 69g I FGG zu beurteilen ist, die als abschließende Regelung eine Anwendbarkeit von § 57 FGG ausschließt (vgl. Keidel/Kayser, a. a. O., § 69g Kz. 8a, m.w.N.). Hier steht indes außer Frage, dass die Bet. zu 1 keine nahe Angehörige i. S. dieser Vorschrift ist. Darüber hinaus lässt sich ein Beschwerderecht auch nicht aus § 69g II FGG herleiten. Insoweit hat das LG zu Recht darauf abgestellt, dass die Bet. zu 1 nur zur vorl. Betreuerin bestellt war und etwaige Rechte aus dieser Position nach der endgültigen Betreuerbestellung des Bet. zu 2 nicht mehr bestehen.

bb) Die Regelung der Beschwerdebefugnis in § 69g I FGG erfolgt jedoch - wie das LG nicht verkennt - unbeschadet des § 20 I FGG. Diese allgemeine Vorschrift, wonach die Beschwerde jedem zusteht, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist, bleibt mithin anwendbar (vgl. Bienwald Betreuungsrecht, 3. Aufl., 69g FGG Rz. 2). Entgegen der Ansicht des LG ist die Bet. zu 1 danach beschwerdebefugt, weil ihr als Generalbevollmächtigtedes Betr. ein eigenes Beschwerderecht zusteht. Hier ist der Bet. zu 1 am 2. 1. 1998 eine Generalvollmacht erteilt worden, die sich ausdrücklich auf alle persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten bezieht (vgl. zur Zulässigkeit einer Vollmacht auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten Senat, FGPrax 2002, 179, 180). Irgendwelche Bedenken gegen die Wirksamkeit bezüglich der hier in Rede stehenden Vertretungstätigkeiten bestehen nicht. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der zum Betreuer bestellte Bet. zu 2 die Vollmacht mittlerweile widerrufen hätte. Unter diesen Umständen kann der Bet. zu 1 ein eigenes Recht zur Beschwerde nicht abgesprochen werden. Soweit in Rechtsprechung und Literatur ein Beschwerderecht des Generalbevollmächtigten abgelehnt wird

(vgl. grundlegend OLG Stuttgart FamRZ 1995, 427 = FGPrax 1995, 87 f.; hierauf bezugnehmend Keidel/Kayser, a. a. O., 69g Rz. 10; Bienwald a.a. O., § 1896 BGB Rz. 161); MünchKomm/Schwab BGB, -l. Aufl., § 1896 Rz. 243),

betrifft dies einen anderen Sachverhalt, nämlich die Anfechtung der Anordnung einer Vollmachtsüberwachungsbetreuung gemäß § 1896 III BGB. Insoweit hat das OLG Stuttgart (a. a. O.) ein Beschwerderecht des Bevollmächtigten verneint, weil seine Befugnisse zur Vertretung des Betr. aufgrund der Vollmacht und des ihr zugrundeliegenden Auftragsverhältnisses durch Anordnung der Kontrollbetreuung nicht verringert würden (a. A. Senat, Beschluss v. 21. 11. 1996 - 3 W 192/96). Hier ist dengegenüber eine (unmittelbare) Betreuung mit solchen Aufgabenkreisen angeordnet, die sich ihrem Umfang nach mit dem von der erteilten Generalvollmacht umfassten Bereich decken. Außerdem wird als Aufgabenkreis sogar ausdrücklich der Widerruf der Vollmacht bestimmt. Bei dieser Sachlage wird in subjektive Rechte des Bevollmächtigten aus dem der Vollmacht zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (vgl. dazu Palattdt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 167 Rz. 4) unmittelbar eingegriffen, solange die Vollmacht - wovon hier auszugehen ist - nicht wirksam widerrufen wurde (vgl. dazu BayObLG, FamRZ 1992, 341, 342; offengelassen FamRZ 1996, 968, 969).

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